Von Stephan Bruyaka Gym 6B
Hindernisse sind dazu da, überwunden zu werden - ein Sprichwort.
Der Gotthard ist ein Hindernis. So schön sich das Gebirgsmassiv im Herzen der Schweiz
präsentiert, es versperrt den direktesten Weg von Norden nach Süden und umgekehrt.
Menschen mögen keine Hindernisse, die sie zu Umwegen zwingen. Es sei denn, sie sind zum
Vergnügen unterwegs. Aber das sind sie eigentlich erst seit 200 Jahren, und das ist eine der
Geschichten.
Seit dem Mittelalter arbeiten die Menschen daran, den Weg über und später durch den
Gotthard schneller und sicherer zu machen. Was dabei entstand, ist eine Reihe von
technischen Meisterwerken. Oft waren es die ersten, modernsten oder längsten ihrer Zeit.
Das Jahr 2016 und die Eröffnung des längsten Eisenbahntunnels der Welt schreiben wieder
ein neues Kapitel in der Geschichte des Gotthards. 57 Kilometer misst der neue Gotthard-
Basistunnel. Lediglich auf 550 Meter über dem Meer müssen die Züge noch steigen. Das ist
Weltklasse, wenn man bedenkt, dass die Passhöhe auf 2106 Metern liegt. Der Gotthard ist
endlich kein Hindernis mehr - oder etwa doch?
Eines ist sicher: Die Geschichte der Verkehrswege am Gotthard ist mit dem neuen Gotthard-
Basistunnel noch lange nicht zu Ende erzählt.
Die kürzeste Verbindung durch die Schweiz: Der Gotthard-Tunnel. Warum ist der
Gotthard so wichtig für den Verkehr?
Der Gotthard ist nicht nur ein einzelner Berg, sondern ein Gebirgsmassiv mit vielen
Berggipfeln, Seen und Gletschern. Er liegt im Herzen der Schweiz und verbindet die Kantone
Uri, Graubünden, Tessin und Wallis miteinander: den Norden und den Süden, aber auch den
Osten und den Westen.
Vier große Flüsse Europas haben ihre Quelle im Gotthardgebiet. Nach Norden fließt die
Reuss, nach Westen die Rhone, nach Süden der Ticino und nach Osten der Rhein. Zwei Seen
– der Vierwaldstättersee im Norden und der Lago Maggiore im Süden – erleichtern den
Zugang zum Pass. Das war wichtig, als es noch keine Eisenbahn und keine Autos gab, und es
sich lohnte, Waren auf dem Wasserweg zu transportieren.
Zieht man eine gerade Linie von Basel nach Mailand, führt diese direkt über den
Gotthardpass. Beide Städte waren wichtige Handelsplätze, weil es von ihnen aus möglich ist,
mit Schiffen weiter bis ans Meer zu gelangen. Ein weiterer Vorteil des Gotthards gegenüber
anderen Schweizer Pässen ist, dass man mit einem einzigen Auf- und Abstieg und ohne
Umwege die Alpen überqueren kann. Das spart Kraft, Energie und vor allem Zeit. All diese
Besonderheiten machen den Sankt Gotthard zur kürzesten und schnellsten Nord-Süd-
Verbindung durch die Mitte der Schweiz.
, Die historische Bedeutung des Gotthardpasses
Bis weit ins Mittelalter hinein hatte der Gotthard trotz seiner besonderen Lage keine große
Bedeutung als Verkehrsweg. Zu anstrengend und gefährlich war es, den Pass auf den
Trampelpfaden zu überschreiten. Zwar war es machbar, den Gotthardpass von Airolo im
Süden her zu überwinden, aber ab Andermatt versperrte die Schöllenenschlucht den direkten
Weg hinunter nach Göschenen und damit weiter Richtung Norden zum Vierwaldstättersee.
Wie der Sankt Gotthard zu seinem Namen kam
Münzenfunde zeigen, dass bereits die Römer den Pass benutzt haben. Sie nannten ihn Adula
Mons (steiler Berg) oder Mons Tremolar (zitternder Berg). Im 13. Jahrhundert war es üblich,
bedeutende Orte nach Heiligen zu benennen. Der Pass und das ganze Gebiet erhielten damals
den Namen Sankt Gotthard – nach dem heiligen Godehard von Hildesheim (960-1038).
Das Zeitalter der Säumerei
Die Eröffnung eines durchgehenden Weges über den Gotthard erschloss der einheimischen
Bevölkerung eine wichtige neue Einnahmequelle: die Säumerei. Die hier ansässigen Familien
erhielten das Recht, als Einzige die Waren- und Personentransporte über den Pass
durchzuführen. Kaufleute und Reisende mussten sie dafür bezahlen. Im Gegenzug waren die
Säumer verpflichtet, den Saumpfad zu unterhalten, bei Bedarf zu erneuern und vom Schnee
zu befreien.
Die Säumer organisierten sich in Genossenschaften, die je für einen Wegabschnitt zuständig
waren. An jeder Abschnittsgrenze gab es eine Umladestelle, die sogenannte Sust. Alle Waren
mussten abgeladen und auf neue Saumtiere umgepackt werden. Dieses Prozedere verzögerte
die Transporte erheblich. Jahrhundertelang versuchten Kaufleute und auswärtige Fuhrleute,
durchgehende Transportbewilligungen zu erhalten. Aber nur ausnahmsweise gewährten ihnen
die Säumer dieses Recht und kassierten dafür eine Gebühr, die sogenannte Fuhrleiti (ital.
forletto).
Das System setzte sich jedoch nie richtig durch, und so behielten die Säumergenossenschaften
ihr Monopol für den Transport bis zum Bau der ersten Fahrstraße im 19. Jahrhundert.
Raststätte auf der Gotthard-Passhöhe
Schon in historischer Zeit war die Gotthard-Passhöhe eine beliebte Raststätte. Dies ist bis
heute so geblieben. Fast alle, die mit dem Auto, dem Motorrad, per Fahrrad oder zu Fuß
unterwegs sind, kehren hier ein. Seit dem 12. Jahrhundert gab es auf der Passhöhe eine
Kapelle und ein Hospiz. Klosterbrüder boten Reisenden Verpflegung und Unterkunft an.
Nach und nach kamen weitere Gebäude hinzu: eine Sust für den Warenumladen,
Militärunterkünfte, ein Hotel und mehr.
Der Warenverkehr über den Gotthard
Um 1500 wurden pro Jahr etwa 170 Tonnen Waren über den Gotthard transportiert.
Schätzungen zufolge wuchs die jährliche Gütermenge bis zur Eröffnung der ersten Fahrstraße
im Jahr 1830 auf ungefähr 4000 Tonnen. Um diese Menge zu bewältigen, waren täglich bis zu
800 Saumtiere im Einsatz.