Abschlussarbeiten und Dissertationen in der angewandten
psychologischen Forschung
Aufgabe 1
Bitte beurteilen Sie folgenden Titel einer Hausarbeit:
„Das Verhalten von Lehrkräften in Klassen mit hohem Anteil an Schülern mit
ausländischem Hintergrund in Anbetracht des zeitlichen Wandels“.
Handelt es sich hierbei um eine sinnvolle Fragestellung im Rahmen einer
psychologischen Forschungsarbeit? Begründen Sie Ihre Entscheidung.
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, Die Fragestellung erweist sich aufgrund mehrerer Aspekte als eine ungünstige Wahl für die
psychologische Forschung.
Als ersten Punkt ist anzuführen, dass es sich dabei im wörtlichen Sinne nicht um eine Frage
handelt. „Gute Forschung zielt darauf ab, Antworten auf Fragen zu finden. […] Wichtig ist,
dass die Forschungsfrage tatsächlich als Frage formuliert ist.“ (Sonnentag, 2016, S. 24f.)
Eine Forschungsfrage soll deutlich machen, welches Ziel die Forschungsarbeit verfolgt und
welche Aspekte untersucht und herausgearbeitet werden sollen, während dieser Titel nur
wenig Aufschluss darüber gibt, was die Arbeit beantworten soll. Das liegt weiterhin auch
daran, dass die Fragestellung nicht ausreichend spezifiziert ist, da der Titel sehr allgemein
gehalten ist und keinen expliziten Fokus setzt. Dadurch, dass es sich um keine konkrete
Frage handelt, wird das Ziel der Untersuchung nicht ersichtlich und das zu allgemein
formulierte Thema erschwert zusätzlich die Möglichkeit eines genauen und überprüfbaren
Ergebnisses. Man erhält keinen Eindruck davon, wie eine mögliche Antwort aussehen kann.
Eine weitere Schwierigkeit stellen die für die Untersuchung gewählten Variablen „Verhalten
von Lehrkräften“, „Klassen mit hohem Anteil an Schülern mit ausländischem Hintergrund“
und „zeitlicher Wandel“ dar, da sie zu unspezifisch definiert sind. Die Variable „Verhalten von
Lehrkräften“ lässt vielfältige Interpretationen zu, da es sich hierbei um einen sehr
allgemeinen Ausdruck handelt. Es geht zum einen nicht klar hervor, welches Verhalten
konkret untersucht werden soll und zum anderen, wie ein möglicher Einfluss des Anteils an
ausländischen Schülern auf das Verhalten aussehen kann und was er bewirkt oder
verändert. Hinzu kommt auch, dass die Untersuchung von Verhalten das Risiko subjektiver
Beurteilung birgt. Der hohe Anteil an Schülern mit ausländischem Hintergrund wird ebenso
wenig konkretisiert, da auf die Information, ab wann es sich um einen hohen Anteil handelt
und ob dieser zum Beispiel auf einen festgelegten Prozentwert zurückzuführen ist, verzichtet
wird. Dass die Untersuchung in Anbetracht des zeitlichen Wandels erfolgen soll, erscheint
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