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Zusammenfassung Öffentliches Recht - 1. Staatsexamen

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Dieses Skript umfasst den gesamten examensrelevanten Stoff des Öffentlichen Rechts für das erste Staatsexamen. Es enthält alle erforderlichen Schemata, Definitionen und Meinungsstreits in den Gebieten Staatsorganisationsrecht, Grundrechte, Allgemeines und Besonderes Verwaltungsrecht (Polizeirecht, Baurecht, Vollstreckung), Europarecht und Völkerrecht. Inhaltliche Tiefe einzelner Rechtsgebiete richtet sich dabei stets nach Prüfungsrelevanz. Es basiert im Wesentlichen auf Inhalten des UniRep der Humboldt Universität zu Berlin sowie den einschlägigen Lehrbüchern.

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Skript Öffentliches Recht


A. Staatsorganisationsrecht

I. Staatsstrukturprinzipien
1. Demokratieprinzip
a) Repräsentativ und parlamentarisch, Herrschaft auf Zeit, Volkssouveränität,
Minderheitenschutz, Entscheidung durch Mehrheit
organisatorisch-personelle Legitimation: ununterbrochene Legitimationskette (gewählte
Bundestag, Art. 38 GG wählt, Art. 63 I GG den Bundeskanzler, der gem. Art. 64 I GG die
Bundesminister einzeln bestellt, diese berufen wiederum selbst oder durch ebenfalls personell
legitimierte Funktionsträger die Bundesbeamten
sachlich-inhaltlich Legitimation: Rückkopplung des Inhalts staatlichen Handelns an den Willen
des Volkes → Vorrang und Vorbehalt des (Parlaments-)Gesetzes, Art. 20 III GG;
demokratischen Verantwortlichkeiten und Kontrollmöglichkeiten (Art. 38 I 2, 43 I, 44, 67, 69 II
GG)
Bei funktionalen Selbstverwaltungskörperschaften (juristische Personen des öffentlichen
Rechts (Kammern, Unis)) modifizierte Anforderungen → Zurechnungszusammenhang zum
Volk kann hier über das Parlamentsgesetz, das für abgegrenzte Bereiche die Aufgaben und
Handlungsbefugnisse der Organe festlegt, sowie über Aufsichtsrechte personell demokratisch
legitimierte Amtswalter
im Gegensatz zur kommunalen Selbstverwaltung nicht gebietsbezogen, sondern
aufgabenbezogen und die Entscheidungsorgane regelmäßig den Mitgliedern rekrutieren,
fehlt es an einer vom Staatsvolk ausgehenden personellen Legitimation aller
Entscheidungsbefugten, die BVerfG für unmittelbaren und gemeindlichen Selbstverwaltung
unentbehrlich erachtet
b) Das Staatsvolk verleiht demokratische Legitimation – Wer ist das Volk iSd Art. 20 II GG?
h.M. deutsche Staatsangehörige a.A.
Art. 116 GG nicht eindeutig, aber Präambel, Verbindung von Volk und StAng ergibt sich
Art. 146 GG, Amtseide Art. 56, 64 II GG nicht zwangsläufig aus Wortlaut
„deutsch“ + Art. 33 I, II GG Ausländerrecht zu transnationaler Migration
Art. 28 I 3 GG öffnen
Ausländer können sich leichter Staatsgewalt Ggfs. Differenzierung nach Begriff auf Landes
entziehen, daher dann auch keine politische – und Bundesebene, Art. 28 I 3 GG
Teilhabe (Festigkeit der Bindung an Staat
nötig)
c) Freiheitlich demokratische Grundordnung
Achtung vor in dem Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, Volkssouveränität,
Mehrparteienprinzip, Chancengleichheit für alle politische Parteien mit Recht auf Opposition,
Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Volk/Parlament, Gewaltenteilung,
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Unabhängigkeit der Gerichte
2. Wahlen – zentraler Vorgang des Volkes zur Ausübung der Staatsgewalt und Grundlage für
Legitimation für gewählte Organe, Art. 20 II GG
a) Wahlgrundsätze
Allgemein: Alle Deutschen, Ausnahme in Art. 38 II GG;
Unmittelbar: Keine Zwischenschaltung, Landesliste und Wahlkreisbewerber müssen vorher
feststehen;
1

, Geheim: Ausnahme Briefwahl;
Frei: Keine unzulässige Wahlbeeinflussung durch Regierung/amtliche Staatsorgane; Gleich:
Gleiche Gewichtung aller Stimmen (Zählwert, Erfolgschancengleichheit, Erfolgswert) Ausnahme
bei 5 % Sperrklausel;
Öffentlich: Alle wesentlichen Schritte unterliegen der öffentlichen Überprüfbarkeit
b) Personalisierte Verhältniswahl nach BWG (nach GG kein bestimmtes Wahlsystem
vorgegeben)
c) Wahlprüfung
aa) Prüfung durch Bundestag, Art. 41 I GG – Prüfung, ob geltendes Wahlrecht fehlerfrei
angewendet wurde
bb) Prüfung BVerfG, Art. 41 II GG, §§ 13 Nr. 3, 48 BVerfGG ff. – Verfassungsmäßigkeit des
einfachen Rechts und seiner Anwendung
Stabilität Bundestag vs. Sicherung Wahlrecht → Grundsatz: Bestandsschutz der
Volksvertretung (Berichtigung hat Vorrang vor Neuwahlen, außer Verstoß gegen wesentliche
Bestimmung des GG oder bei Einfluss auf Wahlergebnis)
3. Rechtsstaatsprinzip
Ergibt sich aus Art. 20 III GG – Bindung der Einzelgewalten + Art. 1 III, 19 IV, 28 I 1 GG sowie
Gesamtkonzeption des Grundgesetzes
a) Rechtssicherheit
b) Vertrauensschutz
Rückwirkung
aa) echte (retroaktive)/Rückbewirkung von Rechtsfolge: Eingriff in abgewickelte Tatbestände,
grds. unzulässig außer: kein Vertrauenstatbestand (bisherige Regelung unklar, stetige Rspr.
Wird zu Gesetz, formnichtiges Gesetz wird korrigiert) – Betroffener muss auf Fortbestand des
Gesetzes schutzwürdig vertrauen + überwiegendes öffentliches Interesse
bb) unechte (retrospektive)/tatbestandliche Rückanknüpfung: Einwirkung auf abgeschlossene
Tatbestände für Zukunft grds. zulässig, aber Härten für Altfälle mit Übergangsbestimmungen
mildern, kein schutzwürdiges Vertrauen, dass Rechtsordnung Bewertung eines laufenden
Sachverhalts nicht ändert → künftig belastende Rechtsfolge an zurückliegende Sachverhalte
anknüpfen
c) Bestimmtheitsgebot
Anforderungen umso höher je schwerer der damit verbundene Grundrechtseingriff
aa) Normenbestimmtheit: Tatbestand und Rechtsfolge klarbestimmt, Anwendung auf den
Einzelfall hinreichend vorhersehbar → Normadressat muss Verhalten an Norm ausrichten
können, nicht mit juristischen Auslegungserklärungen erklärbar
bb) Normenklarheit: Regelungssystem, in welchem Norm steht – Verweisungen,
tatbestandliche Verknüpfungen müssen Voraussetzungen klar machen
d) Wesentlichkeitstheorie
Demokratisch legitimierter Gesetzgeber muss im grundlegenden normativen Bereich, v.a. bei
staatlicher Grundrechtseinwirkung, alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen →
Regelung durch Parlamentsgesetz (Sachbereich, Regelungsgegenstand, Intensität GR-Eingriff)
Frage, ob Verwaltung in bestimmten gesellschaftlichen Bereich nur auf gesetzlicher
Grundlage oder „gesetzesfrei“ tätig werden darf
Wie weit muss Regelung eines Sachbereichs durch Parlament vorgezeichnet sein? (Art. 80 I 2
GG) – Regelungsgegenstand – und Inhalt hinreichend genau
e) Verhältnismäßigkeitsprinzip
aa) legitimer Zweck
bb) Geeignetheit
objektiv zwecktauglich – Einschätzungsprärogative Gesetzgeber
cc) Erforderlichkeit

2

, kein milderes Mittel gleicher Eignung – Einschätzungsprärogative Gesetzgeber
dd) Angemessenheit
Gewicht des Grundrechtseingriffs zulasten des Betroffenen durch das angewandte Mittel
muss in angemessenem Verhältnis zu dem Ziel stehen, was Gesetzgeber mit Norm verfolgt
→ dann nicht angemessen, wenn derart tief in Grundrechte eingegriffen wird, als dass es Ziel
der Norm nicht mehr rechtfertigen kann
Abstraktes Gewicht: Ziele Gesetzgeber (Rang Gemeinwohlziele) vs. Grundrechtsbetroffenheit
Bürger (Rang betroffener Rechte)
Konkretes Gewicht: konkreter Gemeinwohlgewinn (Nähe/Schwere Gefahren) vs. konkrete
Belastung (Intensität/Zahl Betroffener)
4. Bundesstaatsprinzip
Zweigliedrig: Art. 20 I GG Gesamtstaat, Art. 30 GG Länder, Gliedstaaten
a) Gründe: vertikale Gewaltenteilung (Machtbegrenzung), Verbindung von Vielfalt und Einheit
(Wettbewerbsföderalismus + Autonomie/Vielfalt der Lebensbedingungen, geringe
Krisenempfindlichkeit)
b) Bundestreue: ungeschrieben Rechtspflicht zwischen Bund – Länder und Länder – Länder, aber
Vorrang ausdrücklicher Regelungen
Keine eigen Anspruchsgrundlage, nur akzessorische Korrektur positiven Rechts → Pflicht zur
gegenseitigen Rücksichtnahme bei Wahrnehmung der Kompetenzen + Recht auf Information
und Unterstützung, wenn zur Rechtsverwirklichung aufeinander angewiesen (Stellungnahme
bei Weisungen, Art. 107 II GG)
5. Sozialstaatsprinzip
6. Republikprinzip
7. Wehrhafte Demokratie
Art. 9 II, 18, 21 II, 79 III GG


II. Der Bundestag
1. Fraktionen – Zusammenschluss von Abgeordneten, § 10 GOBT
a) Funktion: notwendige Einrichtungen des Verfassungsleben
zentrales Gremium zur frühzeitigen inhaltlichen Abstimmung
§ 47 I AbgG – Parlamentsarbeit steuern
Willensbildung des Bundestages durch Fraktionen
b) Verfassung:
Verfassungsrechtlicher Status leitet sich aus dem der Abgeordneten her, Art. 38 I 2 GG
c) Rechtsstreit: Organstreitverfahren (auch als Prozessstandschaft für ganzen Bundestag,
fremder Rechte im eigenen Namen)
d) Fraktionsdisziplin
Spannungsverhältnis zwischen freiem Mandat und Partei/Fraktion → wechselseitige
Abhängigkeit, s.u.
2. Abgeordnetenstatus
a) Rechte – (gleichberechtige) Mitwirkung auf Teilhabe im Bundestag
Teilnahme an Sitzungen im Bundestag, Rederecht, Antrags – und Initiativrecht, Frage – und
Informationsrecht gegenüber BReg, Mitgliedschaft in Ausschuss, Fraktionszusammenschluss,
Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen
Antragsrecht nicht durch § 76 I GOBT beschränkt, da Bundestag sich GOBT-widrigen Antrag
Zueigen machen kann + Wortlaut Art. 76 I GG
Grenze: Rechte anderer Abgeordneter, Funktionsfähigkeit Parlament
Art. 46 GG – Immunität zum Schutz der Funktionsfähigkeit des BT (Abgeordneter kann nicht
von sich aus auf Immunität verzichten)
b) Pflichten:
3

, § 44a AbgG, Anwesenheit, Repräsentation des Bundestages
c) Fraktionsdisziplin:
Freies Mandat, Art. 38 I 2 GG vs. Partei/Fraktion Art. 21 GG, §§ 10 ff. GOBT
Auf Fraktion angewiesen, um politisch zu wirken (Redezeit, Ausschuss, materielle
Unterstützung) Erwartung auf Fortdauern Mitgliedschaft in Fraktion → Ausschluss Fraktion
als Beeinträchtigung
Fraktion braucht Vergewisserung des Abstimmungsverhaltens → Arbeitsfähigkeit Parlament,
nur möglich, wenn Vertrauen und politischer Konsens besteht (Ausschluss möglich, da actus
contrarius zu Gründung, wenn formell rechtstaatliche Grundsätze eingehalten und materiell
Verhältnismäßigkeitsprinzip gewahrt – Prognoseentscheidung, ob Verhalten geeignet ist der
Fraktion zu schaden)
Wechselseitige Abhängigkeit – letztlich hat Gewissensentscheidung Vorrang
d) Fraktionsloser Abgeordneter:
Parlamentarische Rechte durch GOBT an Fraktionszugehörigkeit gebunden, aber: wesentliche
Rechte leiten sich aus Art. 38 I 2 GG her
Recht auf Mitgliedschaft in Ausschuss, aber ohne Stimmrecht (nur Rederecht), da sonst
überproportional vertreten, § 57 II 2 GOBT
Möglichkeit sich als Gruppe zusammenzufinden, § 10 IV GOBT
e) Rechtsschutz:
primär über Organstreitverfahren, wenn Verletzung der Abgeordnetenrechte durch passiv
legitimiertes Organ – wenn nicht, dann Verfassungsbeschwerde möglich (Wortlaut Art. 93 I
Nr. 4a GG verweist auf ganzen Art. 38 GG, bei Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte)
3. Bundestagesausschüsse – Arbeitsebene des Bundestages
Bundestag als Arbeitsparlament
a) Geschäftsordnungsautonomie
faktisch für jeden Sachbereich Ausschuss möglich (von Grundgesetz nur Art. 45, 45a, 45c GG
gefordert)
b) Vorbereitung/Empfehlung für Plenum, §§ 54, 62 I 2 GG
c) Sicherstellung der Funktionserfüllung, §§ 12, 54 ff, GOBT
Verkleinerte Abbilder der parteipolitischen Zusammensetzung des Parlaments, Mitglieder von
Fraktionen benannt, § 57 II GOBT
d) Rechte der Abgeordneten
Begrenzt durch Rechte anderer Abgeordneter und Funktionsfähigkeit BT
Nur Recht auf Teilnahme in (irgendeinem!) Ausschuss
4. Untersuchungsausschuss
Wirksame parlamentarische Kontrolle
a) War Einsetzung des UA rechtmäßig? (Organstreitverfahren)
aa) formell: Antrag, Art. 44 I GG + Beschluss Bundestag, § 1 II PUAG
bb) materiell: verfassungsgemäßer Untersuchungsgegenstand, § 3 PUAG (hinreichende
Bezeichnung) → Feststellung Tatsachen, privater Bereich nur bei öffentlichem Interesse bzw.
Bezug zur Regierung/Verwaltung
b) War Ersuchen des UA rechtmäßig? (Organstreitverfahren)
aa) Ersuchen nach Art. 44 I GG, § 18 I PUAG
bb) formell: zulässigerweise eingesetzter UA
cc) materiell: sachliche Beweismittel betreffend Untersuchungsgegenstand (Grenzen:
Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, regierungsinterne Willensbildung, Eingriff in
laufende Verfahren, Staatsleitung, Staatswohl, Außenpolitik, bei Privaten Grundrechte zu
beachten)




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