Hauptstudium II - Steuerstrafrecht
1. Allgemeines Prüfungsschema - Aufbau einer Straftat
(Der dreigliedrige Deliktsaufbau)
1. Tatbestandsmäßigkeit
a) Objektiver Tatbestand
Umschreibt in abstrakt-genereller Weise das strafwürdige Verhalten, also:
• Wer (Täterumschreibung)
• Gegenüber wem oder was (Umschreibung des Tatobjekts)
• Welches Verhalten realisiert haben muss (Tathandlung, markiert die Grenzen
strafbaren Handelns)
b) Subjektiver Tatbestand
Beschreibt, mit welcher inneren Einstellung die Tat begangen wurde
(Vorsatz oder Fahrlässigkeit)
GRUNDSATZ: Nur vorsätzliches Verhalten ist strafbar (§ 15 StGB)
à Fahrlässiges Verhalten muss explizit unter Strafe gestellt sein!
2. Rechtswidrigkeit (tatbezogen)
Durch die Verwirklichung eines Straftatbestandes wird dieses Verhalten grundsätzlich als
rechtswidrig eingestuft und als Verstoß gegen die Gesamtordnung gewertet
(sog. Unwerturteil)
Rechtswidrigkeit wird also grundsätzlich indiziert durch die Tatbestandsmäßigkeit des
Verhaltens (§ 11 (1) Nr. 5 StGB)
ABER: Die Vermutung der Rechtswidrigkeit kann entkräftet werden durch das Vorliegen von
Rechtfertigungsgründen, z.B.
• Notwehr (§ 32 StGB)
• Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB)
à Bei Steuerstraftaten kommen berücksichtigungsfähige Rechtfertigungsgründe in der Praxis
regelmäßig NICHT vor.
3. Schuld (täterbezogen)
Vorwerfbarkeit einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Tat.
Dies setzt beim Täter voraus:
• Schuldfähigkeit
Schuldunfähig sind:
• Kinder unter 14 Jahre (§ 19 StGB)
• Seelisch und geistig Gestörte (§§ 20 und 21 StGB)
• Unrechtsbewusstsein
§ Einsicht, Unrecht zu tun; Bei fehlender Einsicht: Verbotsirrtum (§ 17 StGB)
Seite 1 von 16
, Hauptstudium II - Steuerstrafrecht
• Fehlen von Entschuldigungsgründen
§ Entschuldigender Notstand (§ 35 StGB)
§ Notwehrüberschreitung (§ 33 StGB)
§ Unzumutbarkeit normgemäßen Handelns
Schuld wird indiziert durch die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens
à Bei Steuerstraftaten kommen berücksichtigungsfähige Schuldausschließungsgründe in der
Praxis regelmäßig NICHT vor.
2. ZUSAMMENFASSUNG: Objektive Tatbestandsmerkmale, § 370 (1) AO
§ 370 (1) NR. 1 AO:
- Tauglicher Täterkreis = WER
= jede natürliche Person,
= juristische Personen können nach dt. Strafrecht nicht belangt werden.
- Angaben über Tatsachen
= Umstände der realen Lebenswelt, die dem Beweis zugänglich sind
- Die steuerlich erheblich sind
- Gegenüber Finanzbehörde oder anderer Behörde (z.B. Finanzgericht)
- Unrichtige oder unvollständige Angaben
- TATERFOLG: Steuerverkürzung oder Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile
(§ 370 (4) S. 1 AO) (§ 370 (4) S. 2 AO)
- Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg
= Aquivalenztheorie: Ursächlich ist jede Tathandlung, die nicht hinweggedacht werden
kann, ohne dass der Taterfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
("Conditio sine qua non")
§ 370 (1) NR. 2 AO:
- Tauglicher Täterkreis = WER
= jede natürliche Person,
= juristische Personen können nach dt. Strafrecht nicht belangt werden.
- In Unkenntnis lassen der Finanzbehörden über Tatsachen
= Umstände der realen Lebenswelt, die dem Beweis zugänglich sind
- Die steuerlich erheblich sind
- Durch Unterlassen des Erklärungspflichtigen
- Pflichtwidrig à d.h. Pflicht zum Handeln bestand
- TATERFOLG: Steuerverkürzung oder Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile
(§ 370 (4) S. 1 AO) (§ 370 (4) S. 2 AO)
- Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg
= Hypothetische Kausalität: Ursächlich ist jede unterlassene Tathandlung, die nicht
hinzugedacht werden kann, ohne dass der Taterfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Seite 2 von 16
, Hauptstudium II - Steuerstrafrecht
3. Prüfungsaufbau: § 370 (1) Nr. 1 AO
OBERSATZ: X könnte sich einer Steuerhinterziehung gem. § 370 (1) Nr. 1 AO strafbar gemacht
haben, indem er erklärte, seine Betriebseinnahmen betragen 50.000,- €.
I. Objektiver Tatbestand
1. Tauglicher Täterkreis
à In Betracht kommt jede natürliche Person
à X ist eine natürliche Person (+)
2. Angaben über Tatsachen
à Tatsachen sind dem Beweis zugänglich
Subsumtion: Höhe der Einnahmen, die X durch seine Tätigkeit erzielt, ist dem
Beweis zugänglich und stellt somit eine Tatsache dar.
à X erklärte, dass er Betriebseinnahmen i.H.v. 50.000,- € hatte
3. Steuerlich erhebliche Tatsachen
à (+), wenn Tatsachen auf die Höhe der festgesetzten Steuer Einfluss haben
à (-), wenn sich Tatsachen nur auf steuerliche Nebenleistungen (§ 3 (4) AO
auswirken)
à HIER: Die Höhe der Betriebseinnahmen wirkt sich auf die Höhe der festgesetzten
Einkommensteuer aus. (+)
4. Gegenüber Finanzbehörden
à FA: Finanzbehörde, § 6 (2) Nr. 5 AO, (+)
5. Unrichtig oder unvollständig
Behauptung ≠ Wirklichkeit Nicht alle Tatsachen wurden durch
die Angabe erklärt
à HIER: X hatte tatsächlich 100.000,- € Betriebseinnahmen, er machte mithin
unrichtige und unvollständige Angaben
6. Taterfolg
à Steuerverkürzung oder Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile
à Das Finanzamt hat die Erklärung erklärungsgemäß durchgeführt und in Folge
dessen Bescheid erlassen, in dem Einkünfte aus GewB um 50.000,- € zu niedrig
angesetzt wurden und daher eine zu geringe Einkommensteuer festgesetzt
worden ist.
7. Kausalität
à Die Erklärung der zu geringen Einnahmen kann nicht hinweggedacht werden,
ohne dass zugleich die zu geringe ESt-Festsetzung entfiele (= Äquivalenztheorie)
II. Subjektiver Tatbestand
à X wusste, dass er zu geringe Betriebseinnahmen erklärte und wollte das auch
(Steuern sparen). Er handelte vorsätzlich.
III. Rechtswidrigkeit*
à Mangels Vorliegen von Rechtfertigungsgründen handelte X auch rechtswidrig.
Seite 3 von 16
1. Allgemeines Prüfungsschema - Aufbau einer Straftat
(Der dreigliedrige Deliktsaufbau)
1. Tatbestandsmäßigkeit
a) Objektiver Tatbestand
Umschreibt in abstrakt-genereller Weise das strafwürdige Verhalten, also:
• Wer (Täterumschreibung)
• Gegenüber wem oder was (Umschreibung des Tatobjekts)
• Welches Verhalten realisiert haben muss (Tathandlung, markiert die Grenzen
strafbaren Handelns)
b) Subjektiver Tatbestand
Beschreibt, mit welcher inneren Einstellung die Tat begangen wurde
(Vorsatz oder Fahrlässigkeit)
GRUNDSATZ: Nur vorsätzliches Verhalten ist strafbar (§ 15 StGB)
à Fahrlässiges Verhalten muss explizit unter Strafe gestellt sein!
2. Rechtswidrigkeit (tatbezogen)
Durch die Verwirklichung eines Straftatbestandes wird dieses Verhalten grundsätzlich als
rechtswidrig eingestuft und als Verstoß gegen die Gesamtordnung gewertet
(sog. Unwerturteil)
Rechtswidrigkeit wird also grundsätzlich indiziert durch die Tatbestandsmäßigkeit des
Verhaltens (§ 11 (1) Nr. 5 StGB)
ABER: Die Vermutung der Rechtswidrigkeit kann entkräftet werden durch das Vorliegen von
Rechtfertigungsgründen, z.B.
• Notwehr (§ 32 StGB)
• Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB)
à Bei Steuerstraftaten kommen berücksichtigungsfähige Rechtfertigungsgründe in der Praxis
regelmäßig NICHT vor.
3. Schuld (täterbezogen)
Vorwerfbarkeit einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Tat.
Dies setzt beim Täter voraus:
• Schuldfähigkeit
Schuldunfähig sind:
• Kinder unter 14 Jahre (§ 19 StGB)
• Seelisch und geistig Gestörte (§§ 20 und 21 StGB)
• Unrechtsbewusstsein
§ Einsicht, Unrecht zu tun; Bei fehlender Einsicht: Verbotsirrtum (§ 17 StGB)
Seite 1 von 16
, Hauptstudium II - Steuerstrafrecht
• Fehlen von Entschuldigungsgründen
§ Entschuldigender Notstand (§ 35 StGB)
§ Notwehrüberschreitung (§ 33 StGB)
§ Unzumutbarkeit normgemäßen Handelns
Schuld wird indiziert durch die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens
à Bei Steuerstraftaten kommen berücksichtigungsfähige Schuldausschließungsgründe in der
Praxis regelmäßig NICHT vor.
2. ZUSAMMENFASSUNG: Objektive Tatbestandsmerkmale, § 370 (1) AO
§ 370 (1) NR. 1 AO:
- Tauglicher Täterkreis = WER
= jede natürliche Person,
= juristische Personen können nach dt. Strafrecht nicht belangt werden.
- Angaben über Tatsachen
= Umstände der realen Lebenswelt, die dem Beweis zugänglich sind
- Die steuerlich erheblich sind
- Gegenüber Finanzbehörde oder anderer Behörde (z.B. Finanzgericht)
- Unrichtige oder unvollständige Angaben
- TATERFOLG: Steuerverkürzung oder Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile
(§ 370 (4) S. 1 AO) (§ 370 (4) S. 2 AO)
- Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg
= Aquivalenztheorie: Ursächlich ist jede Tathandlung, die nicht hinweggedacht werden
kann, ohne dass der Taterfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
("Conditio sine qua non")
§ 370 (1) NR. 2 AO:
- Tauglicher Täterkreis = WER
= jede natürliche Person,
= juristische Personen können nach dt. Strafrecht nicht belangt werden.
- In Unkenntnis lassen der Finanzbehörden über Tatsachen
= Umstände der realen Lebenswelt, die dem Beweis zugänglich sind
- Die steuerlich erheblich sind
- Durch Unterlassen des Erklärungspflichtigen
- Pflichtwidrig à d.h. Pflicht zum Handeln bestand
- TATERFOLG: Steuerverkürzung oder Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile
(§ 370 (4) S. 1 AO) (§ 370 (4) S. 2 AO)
- Kausalität zwischen Tathandlung und Taterfolg
= Hypothetische Kausalität: Ursächlich ist jede unterlassene Tathandlung, die nicht
hinzugedacht werden kann, ohne dass der Taterfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Seite 2 von 16
, Hauptstudium II - Steuerstrafrecht
3. Prüfungsaufbau: § 370 (1) Nr. 1 AO
OBERSATZ: X könnte sich einer Steuerhinterziehung gem. § 370 (1) Nr. 1 AO strafbar gemacht
haben, indem er erklärte, seine Betriebseinnahmen betragen 50.000,- €.
I. Objektiver Tatbestand
1. Tauglicher Täterkreis
à In Betracht kommt jede natürliche Person
à X ist eine natürliche Person (+)
2. Angaben über Tatsachen
à Tatsachen sind dem Beweis zugänglich
Subsumtion: Höhe der Einnahmen, die X durch seine Tätigkeit erzielt, ist dem
Beweis zugänglich und stellt somit eine Tatsache dar.
à X erklärte, dass er Betriebseinnahmen i.H.v. 50.000,- € hatte
3. Steuerlich erhebliche Tatsachen
à (+), wenn Tatsachen auf die Höhe der festgesetzten Steuer Einfluss haben
à (-), wenn sich Tatsachen nur auf steuerliche Nebenleistungen (§ 3 (4) AO
auswirken)
à HIER: Die Höhe der Betriebseinnahmen wirkt sich auf die Höhe der festgesetzten
Einkommensteuer aus. (+)
4. Gegenüber Finanzbehörden
à FA: Finanzbehörde, § 6 (2) Nr. 5 AO, (+)
5. Unrichtig oder unvollständig
Behauptung ≠ Wirklichkeit Nicht alle Tatsachen wurden durch
die Angabe erklärt
à HIER: X hatte tatsächlich 100.000,- € Betriebseinnahmen, er machte mithin
unrichtige und unvollständige Angaben
6. Taterfolg
à Steuerverkürzung oder Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile
à Das Finanzamt hat die Erklärung erklärungsgemäß durchgeführt und in Folge
dessen Bescheid erlassen, in dem Einkünfte aus GewB um 50.000,- € zu niedrig
angesetzt wurden und daher eine zu geringe Einkommensteuer festgesetzt
worden ist.
7. Kausalität
à Die Erklärung der zu geringen Einnahmen kann nicht hinweggedacht werden,
ohne dass zugleich die zu geringe ESt-Festsetzung entfiele (= Äquivalenztheorie)
II. Subjektiver Tatbestand
à X wusste, dass er zu geringe Betriebseinnahmen erklärte und wollte das auch
(Steuern sparen). Er handelte vorsätzlich.
III. Rechtswidrigkeit*
à Mangels Vorliegen von Rechtfertigungsgründen handelte X auch rechtswidrig.
Seite 3 von 16