GENE UND UMWELT
ADDITIVES MODELL DER ERBLICHKEIT
Unterschiede in Personenmerkmalen zurückzuführen auf Gene und Umwelt
Var(P) – Varianz des Phänotyps/Merkmals
Var(G) – Varianz der Gene Var(P) = Var(G) + Var(U)
Varianzquellen
Var(U) – Varianz der Umwelt
Erblichkeit = Anteil der Varianz des Phänotyps, der auf Gene zurückzuführen ist
2 Var(G)
h = Erblichkeitskoeffizient
Var(P)
Konsequenzen
Erblichkeit = relativer Begriff (keine Naturkonstante) → abhängig von Genen und Umwelt der Population
Kein genetischer Determinismus durch Erblichkeit; Veränderung erblicher Merkmale durch
Umweltfaktoren möglich
→ Phänotyp als Ergebnis von Genen und Umwelt
ZERLEGUNG DER GENETISCHEN VARIANZ
Var(G) = Var(A) + Var(AM) + Var(D) + Var(I)
Additive Varianz – Var(A)
50% der Gene von Mutter, 50% der Gene von Vater
Wirkung mütterlicher und väterlicher Gene unabhängig
→ Ähnlichkeit zwischen Verwandten in gerade Linie
Varianz durch gezielte Partnerwahl – Var(AM)
= assortative mating
Partnerwahl selektiv (zum Beispiel: Mittlere Korrelation der Intelligenz von Paaren)
→ Größere Ähnlichkeit zwischen Eltern und Kind
→ Breitere Verteilung des Merkmals in Population
Nicht-additive Varianz durch Dominanz – Var(D)
Merkmalsausprägung durch mütterliches oder väterliches Gen dominiert
→ Dominantes Gen „überschreibt“ Effekte des rezessiven Gens
Dominanz meist graduell, nur selten vollständig
Nicht-additive Varianz durch Epistase – Var(I)
= Wechselwirkung verschiedener Gene bei Merkmalsausprägung
ZERLEGUNG DER UMWELTVARIANZ
Var(U) = Var(C) + Var(E)
Varianz durch geteilte Umwelt – Var(C)
= Faktoren, die innerhalb der Familie gleich und zwischen Familien unterschiedlich sind (zum Beispiel:
sozioökonomischer Status, Wohngegend, Familienklima, Religion)
Varianz durch spezifische (nicht geteilte) Umwelt – Var(E)
= Faktoren, die innerhalb der Familie unterschiedlich sind (zum Beispiel: Freunde, Schulklasse, Sportverein,
Behandlung durch Eltern)
SCHÄTZUNG DER ERBLICHKEIT
, 2
VORAUSSETZUNGEN
Konstanthaltung der Gene bei Variation der Umwelt: Zwillingsstudien
Untersuchung von getrennt aufwachsenden eineiigen Zwillingen
→ Ca. 100% geteilte Gene
Vergleich von gemeinsam aufwachsenden eineiigen Zwillingen mit gemeinsam aufwachsenden zweieiigen
Zwillingen
→ Ca. 50% geteilte Gene
Konstanthaltung der gemeinsamen Umwelt bei Variation der Gene: Adoptionsstudien
Vergleich von Adoptivkindern mit leiblichen Kindern innerhalb einer Familie
→ Ca. 0% geteilte Gene zwischen Eltern und Adoptivkindern
→ Ca. 50% geteilte Gene zwischen Eltern und leiblichen Kindern
MODELLE
Modell 1: Getrennt aufwachsende eineiige Zwillinge
P1 = G1 + C1 + E1 E1 P1
Zwillinge eineiig → G1 = G2 = G
P2 = G2 + C2 + E2 Keine gemeinsame Umwelt → C1 = C2 = 0 G
E2 P2
2 Var(G) Cov( P1 , P2 )
h = = =r
Var(P) Std ( P ) ×Std(P) eineiige Zwi l linge
Modell 2: Gemeinsam aufwachsende eineiige Zwillinge
P1 = G1 + C1 + E1 E1 P1
Zwillinge eineiig → G1 = G2 = G
P2 = G2 + C2 + E2 Gemeinsame Umwelt → C1 = C2 = C G+C
E2 P2
Cov( P1 , P2) Var(G) Var(C) 2 2
r eineiige Zwillinge = = + = h +c Durch gemeinsame Umwelt
Std(P)×Std(P) Var(P) Var(P)
erklärter Varianzanteil von P
Modell 3: Gemeinsam aufwachsende zweieiige Zwillinge
P1 = G1 + C1 + E1 E1 P1
Zwillinge zweieiig → Var(G1) = Var(G2) = ½Var(G)
P2 = G2 + C2 + E2 Gemeinsame Umwelt → C1 = C2 = C ½G+C
E2 P2
1
Var(G) + Var(C)
Cov( P 1 , P2) 2 Var(C) 1 2 2
r zweieiige Zwillinge = = + = h +c
Std(P)×Std(P) Var(P) Var(P) 2
FALCONER-FORMEL
Gemeinsam aufgewachsene eineiige Zwillinge & gemeinsam aufgewachsene zweieiige Zwillinge
reineiige Zwillinge = h2 + c2 rzweieiige Zwillinge = 1/2h2 + c2
h2 = 2(reineiige Zwillinge – reineiige Zwillinge) → h2 = Var(G)/Var(P)
c2 = 2rzweieiige Zwillinge – reineiige Zwillinge → c2 = Var(C)/Var(P) Falconer-Formel
e2 = 1 – reineiige Zwillinge → e2 = Var(E)/Var(P)
, 3
PROBLEME
Getrennt aufwachsende eineiige Zwillinge
Selten
Trennung meist nicht direkt nach Geburt (→ gemeinsame Umwelt)
Aufwachsen in Familien mit ähnlichem sozioökonomischen Status
→ Gemeinsame Umwelt ≠ 0
Gemeinsam aufwachsende eineiige & zweieiige Zwillinge
Keine Dominanzeffekte
Keine Effekte selektiver Partnerwahl Annahmen
Aufwachsen in exakt gleicher Umwelt
Keine Berücksichtigung der Varianz zwischen Familien
Keine Korrelation von Genen, gemeinsamer Umwelt und spezifischer Umwelt
LÖSUNGEN
Verwendung weiterer komplexerer Designs
Verwendung erweiterter komplexerer Modelle (zum Beispiel: Berücksichtigung von Erbe-Umwelt-Varianz)
Berücksichtigung der Interaktion von Genen und Umwelt
ERBLICHKEIT VON INTELLIGENZ UND PERSÖNLICHKEIT
Intelligenz- und Persönlichkeitsvariablen durch zahlreiche genetische Faktoren beeinflusst
Intelligenz- und Persönlichkeitsentwicklung durch zahlreiche Umweltfaktoren beeinflusst
Gen- und Umwelteffekte komplex und multifaktoriell determiniert
INTELLIGENZ
Korrelation der Intelligenz getrennt aufwachsender eineiiger Zwillinge r=.74
Anteil aufgeklärter Varianz der Intelligenz durch Gene & Umwelt bei gemeinsam aufwachsenden Zwillingen
etwa gleich
Fehler Fehler
10% 5%
Gene
nicht geteilte Umwelt 40% nicht geteilte
25% Umwelt
35%
Gene
Geteilte Umwelt 60%
25% Kindheit
Erwachsenenalter
PERSÖNLICHKEIT
Ähnlichkeit Persönlichkeitseigenschaften bei eineiigen Zwillingen
r=.48 Fehler
15%
Ähnlichkeit Persönlichkeitseigenschaften bei zweieiigen Zwillingen
r=.23
Selbsteinschätzung: 50% der Varianz durch genetische Effekte; 50%
der Varianz durch Umwelteffekte Erbe
Fremdeinschätzung: 66% der Varianz durch genetische Effekte, 34% 50%
der Varianz durch Umwelteffekte Nicht
geteilte
Umwelt
30%
Geteilte Umwelt
5%